4. Juli 2021 / News aus der Welt

Inzidenz steigt erstmals seit Wochen

Lange sanken die Corona-Zahlen kontinuierlich. Diese Entwicklung ist erstmal gestoppt. Daran dürfte auch die Delta-Variante Schuld haben. War es das jetzt mit der Entspannung?

Corona-Test in einem Schnelltest-Zentrum in Hannover.
von Gisela Gross und Valentin Frimmer, dpa

Es ist eingetreten, was Expertinnen und Experten befürchtet hatten: Während der Anteil der ansteckenderen Delta-Variante wächst, wird der Sinkflug der Corona-Zahlen abgebremst.

Erstmals seit Anfang Juni ist die Sieben-Tage-Inzidenz im Vergleich zum Vortag sogar gestiegen - wenn auch nur gering. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Sonntagmorgen mit 5,0 an. Am Vortag hatte der Wert noch bei 4,9 gelegen.

Inzidenz weiter sehr niedrig

Die Corona-Zahlen sind insgesamt nach wie vor sehr niedrig und schwanken zuweilen, doch zwei weitere Werte deuten auf ein Ende des starken Rückgangs hin: Am zweiten Tag in Folge lag die Zahl der Neuinfektionen höher als am gleichen Tag der Vorwoche. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 559 Corona-Neuinfektionen. Vor einer Woche waren es noch 538. Auch der R-Wert, der zeigt, wie viele Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt, war zuletzt gestiegen und hatte nach RKI-Angaben vom Freitagabend 1 erreicht - so hoch lag er mehr als zwei Monate lang nicht mehr.

Eine Pandemiekurve flacht zwar gewöhnlich bei stark gesunkenen Zahlen ab. Dennoch könnte die zuerst in Indien registrierte Delta-Variante nun dabei mitgewirkt haben. So hatten Modellierer und Virologen davor gewarnt, dass die erstmals in Indien nachgewiesene Delta-Variante (B.1.617.2) die recht entspannte Corona-Lage wieder verschärfen könnte. Sie gilt als infektiöser, ein Infizierter steckt im Schnitt mehr weitere Menschen an als bei früheren Varianten.

Delta-Anteil bei Neuinfektionen steigt

Vor allem seit Ende Mai war der Anteil von Delta an den Neuinfektionen in Deutschland deutlich gestiegen. Mittlerweile geht nach RKI-Schätzung mindestens die Hälfte der Neuinfektionen auf die Mutante zurück, wie es in seinem aktuellen Variantenbericht schreibt. Die jüngsten bisher verfügbaren Daten belegen für die Woche vom 14. bis 20. Juni einen Anteil von 37 Prozent an den untersuchten Proben. In der Woche zuvor waren es laut RKI erst 17 Prozent.

Auch die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek sagte am Dienstag im Podcast «Coronavirus-Update» (NDR-Info), sie nehme an, dass Delta bereits in bestimmten Gebieten, vielleicht sogar deutschlandweit vorherrschend sei. In Frankfurt habe es einen relativ großen Ausbruch gegeben. Dieser sei ähnlich verlaufen, wie es schon in Großbritannien beobachtet worden sei: «Es fing in der Schule an und hat sich dann weiter ausgebreitet.» Ciesek mahnte für Deutschland eine schnelle Eindämmung mit Tests und Quarantäne an.

Schwankung oder Trendwende?

Auch wenn es sich bei dem am Sonntag gemeldeten Wert um eine gewöhnliche Schwankung oder den bei niedriger Inzidenz größeren Einfluss einzelner, größerer Ausbrüche handeln könnte: Eine genauere Betrachtung der Entwicklung der Delta-Fälle deutet durchaus darauf hin, dass die Zahlen nun tatsächlich weiter steigen könnten. Denn während sich immer weniger Menschen mit der zuletzt vorherrschenden Alpha-Variante anstecken, steigt die absolute Zahl der nachgewiesenen Delta-Infektionen laut RKI in den vergangenen Wochen an: Nachdem in der Woche vom 31. Mai bis zum 6. Juni noch 410 solche Ansteckungen erfasst wurden, bekam das RKI nach jüngsten Daten vom 14. bis 20. Juni 724 gemeldet. Dabei wird nur ein Teil der Corona-Proben auf die Varianten getestet.

Auf die Entwicklung der Inzidenz wirken neben den Varianten aber auch noch andere Effekte. So hatten Fachleute darauf hingewiesen, dass sich der zunächst so rasche Rückgang schon aus mathematischen Gründen verlangsamt. Zudem galt es durchaus als erwartbar, dass die Fallzahlen ein Plateau erreichen - und nicht auf null gehen. Corona dürfte schließlich nicht so schnell wieder komplett verschwinden. So schwankte die Inzidenz selbst zu den entspanntesten Zeiten dieser Pandemie, im Juni und Juli 2020, um 3.

Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen überraschen die jüngsten Zahlen nicht. «Das ist aus meiner Sicht der erwartete Verlauf, sobald Delta überwiegt. Wir hatten jetzt extrem niedrige Zahlen, jetzt geht es etwas hinauf», folgerte er. «Da aber die Ferien beginnen, sollte es erstmal allenfalls langsam hochgehen.» Wichtig sei jetzt auch, was in Krankenhäusern passiere. In dem Punkt seien die Erfahrungen aus anderen Ländern bisher insofern positiv, «als dass es dort sehr überschaubare Anstiege und keine wesentlichen Probleme bisher gab».

Welche Auswirkungen haben die Delta-Zahlen?

In Deutschland selbst gibt es noch wenig Erfahrung damit, was die Delta-Variante für Krankenhäuser bedeuten könnte. «Wir haben noch nicht genügend Daten, um wirklich klar zu sagen, wie gefährlich oder ungefährlich (...) sie ist», hatte RKI-Chef Lothar Wieler kürzlich gesagt - und von ersten Hinweisen auf eine höhere Rate von Krankenhausbehandlungen gesprochen als bei der bislang dominierenden Alpha-Variante. Nach RKI-Angaben trifft Delta bislang eher Menschen unter 60. Ihr Risiko für schwere Verläufe gilt als deutlich geringer verglichen mit Hochaltrigen.

Laut RKI waren bis einschließlich Donnerstag 37,9 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Hat sich der Impfschutz komplett aufgebaut, haben die Geimpften nach bisherigem Kenntnisstand auch bei Delta einen hohen Schutz vor einer Krankenhausbehandlung. Insbesondere Ungeimpfte und Menschen mit erst einer Dosis sollten laut Fachleuten vorsichtig sein.


Bildnachweis: © Julian Stratenschulte/dpa
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