17. Dezember 2022 / News aus der Welt

Bergwacht: «Winter in den Bergen ist nicht Sommer in Weiß»

Schon im Sommer passieren die meisten Bergunfälle beim Wandern. Nun kommt der Winter. Polizei, Bergwacht und Alpenverein warnen vor besonderen Gefahren in den verschneiten Bergen.

Ein Skitourengeher steigt durch viel Neuschnee einen Berg bei Garmisch-Partenkirchen hinauf.
von Sabine Dobel, dpa

Im vergangenen Frühjahr hat sich die Gefahr noch winterlicher Berge drastisch gezeigt: Allein an den wenigen Tagen um Ostern rutschten in den bayerischen Alpen drei Wanderer auf Altschnee aus und stürzten in den Tod - Teil einer regelrechten Serie tragischer Bergunfälle.

Die meisten Unfälle passieren beim Wandern im Sommer, zwei Drittel aller Einsätze der Bergwacht Bayern betreffen Wanderer. Bergwacht, Polizei und Deutscher Alpenverein (DAV) warnen nun vor besonderen Gefahren in der Wintersaison. Denn immer mehr Menschen schnüren auch in der kalten Jahreszeit die Wanderstiefel. Bergsport liegt im Trend - und öfter als früher fehlt zum Skifahren der Schnee.

«Der Winter in den Bergen ist nicht der Sommer in Weiß», mahnt Bergwacht-Sprecher Roland Ampenberger. Wegmarkierungen seien im Schnee schnell nicht mehr erkennbar. Es werde rasch dunkel. Hinzu kommen die Kälte, das Risiko, auf eisigen Wegen auszurutschen und die Lawinengefahr. Vier Menschen starben im vergangenen Winter in Bayern in Lawinen - zwei von ihnen waren Wanderer.

«In den Bergen kommt man beim Winterwandern schnell an Grenzen. Wer ohne Schneeschuhe oder Tourenski und die entsprechende Notfallausrüstung und Erfahrung unterwegs ist, sollte in Talnähe und auf geräumten Wegen bleiben», mahnt DAV-Präsident Roland Stierle.

Wandern nur mit der entsprechenden Ausrüstung

Im Sommer einfache Wanderungen könnten winters zu anspruchsvollen Touren werden, die hochalpine Ausrüstung erforderten, sagt Maximilian Maier vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd. Es könnten durchaus Eispickel, Steigeisen oder Grödel - als abgespeckte Version - nötig sein, um im schneiten und vereisten Gelände nicht abzurutschen. Für manch einfache Sommertour sei im Winter auch eine Lawinenausrüstung ratsam: Verschüttetensuchgerät, Lawinenschaufel und Sonde.

Gerade Wanderer sind auf derartige Anforderungen der winterlichen Bergwelt oft weder von den Kenntnissen noch von der Ausrüstung her vorbereitet. Oft ist bei Unfällen neben Unkenntnis auch Leichtsinn im Spiel. Manche sind mit leichten Schuhen unterwegs, andere folgen einfach einer App oder starten trotz ungünstiger Wetterbedingungen.

Im Februar machten sich zwei Wanderer bei Schnee und Wind zu einer Hütte bei Oberstdorf auf und verliefen sich. Einer erfror, der andere starb im Krankenhaus. Um Ostern rutschte ein Ehepaar aus Sachsen-Anhalt, unterwegs in Turnschuhen und mit unzureichender Ausrüstung, an einem verschneiten Wegabschnitt im Zugspitzgebiet in den Tod. Im Juni mussten im österreichischen Kleinwalsertal mehr als 100 Schüler und Lehrer aus Bergnot gerettet werden. Die Lehrkräfte hatten im Internet eine Route ausgesucht, die sich als viel zu schwer erwies.

Todesgefahr in eisiger Kälte

Im September geriet ein niedersächsischer Bergsteiger am Hochkalter bei Berchtesgaden in einen Wettersturz. Unterhalb des 2607 Meter hohen Gipfels rutschte er ab. Er setzte dramatische Notrufe ab, bei denen er angab, sich in Schneesturm und eisiger Kälte kaum noch halten zu können. Dann brach der Kontakt ab. Rettungskräfte suchten unermüdlich - doch für den jungen Mann gab es in Eis und Schnee keine Rettung. Vier Wochen später wurde seine Leiche entdeckt.

Die Bergwacht Bayern zählte von Mai bis Ende Oktober weniger Einsätze als im Vorjahr. Auch die Zahl der Bergtoten in dem Zeitraum ist laut Ampenberger gesunken - von 85 im Vorjahr auf nun 57. Ein Grund für den Rückgang könnte der verregnete Herbst gewesen sein. Womöglich sei mancher auch wieder in andere Regionen gereist, während 2021 wegen der Pandemie viele im eigenen Land urlaubten. Das hatte zu einem starken Ansturm auf die Berge geführt - und auch viele Ungeübte angelockt. Polizeisprecher Maier riet, bei örtlichen Bergführern oder Tourismusverbänden Informationen einzuholen, ob das Ziel auch wie geplant zu erreichen sei.

Nicht wenige Einsätze finden laut Ampenberger inzwischen nach 18.00 Uhr statt. Über 300 Mal mussten die Retter im Sommer 2021 bei Dunkelheit ausrücken. Dabei sei gerade dann die Verfügbarkeit von Hubschraubern stark eingeschränkt und damit der Unfallort schwerer erreichbar. Die steigende Zahl abendlicher Ausflüge ins Gebirge sind auch Naturschützern ein Dorn im Auge, da das Wild gestört wird.


Bildnachweis: © Angelika Warmuth/dpa
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