18. November 2022 / News aus der Welt

Abwasser-Potenziale: Wenn Toilettenwasser zu Bier wird

Täglich fließt literweise Abwasser von der Toilette über das Klärwerk bis in unsere Flüsse. Manchmal nimmt es aber auch ungewöhnliche Abzweigungen - und landet zum Beispiel im Bierglas.

Grün und nützlich: Täglich fließt literweise Abwasser von der Toilette über das Klärwerk bis in unsere Flüsse.
von Mia Bucher, dpa

Zugegeben, das Stichwort Abwasser ruft zunächst meist keine positiven Assoziationen hervor: Irgendwo tief unter uns fließt eine dreckige Brühe durch die Kanalisation. Dass wir unsere Ausscheidungen auf so einfachem Wege in den Untergrund schicken können, ist aber nicht selbstverständlich.

Am 19. November erinnert der Welttoilettentag der Vereinten Nationen daran, dass viele Menschen auf der Welt kein Klo zur Verfügung haben. Der Nutzen der weißen Porzellanschüssel ist von unschätzbarem Wert. Doch auch aus dem Abwasser, das wir etwa beim Klospülen, Duschen oder Waschen verursachen, lässt sich etwas Wertvolles gewinnen. Das zeigen vier Beispiele:

Bier: Dass ehemaliges Toilettenwasser trinkbar und durchaus genießbar sein kann, versuchen Unternehmen weltweit unter Beweis zu stellen. Die Brauerei «Brewerkz» aus Singapur braut in Zusammenarbeit mit der nationalen Wasserbehörde seit 2018 Bier aus gereinigtem Abwasser. In diesem Jahr können Neugierige das Craftbier zum ersten Mal auch im Supermarkt kaufen. Dem Unternehmen zufolge hat das Pale Ale Honig- und Röstaromen.

In Deutschland fand im Jahr 2019 ein ähnliches Experiment statt. Um in Zeiten drohender Wasserknappheit ein Zeichen für die Wiederverwendung von Abwasser zu setzen, ließ das Wasser-Technologie-Unternehmen Xylem aus Nordrhein-Westfalen insgesamt rund 400 Liter Bier brauen. Verkauft wurde das Gebräu aber nicht. Um Trinkwasserqualität zu erreichen, wurde das Abwasser in einem mehrstufigen Reinigungsprozess gesäubert.

Energiequelle: Wenn wir Duschen oder Wäsche waschen, ist das Wasser, das durch den Abfluss in die Abwasserrohre fließt, oft noch warm. Diese Wärme kann aufgefangen und genutzt werden, um zum Heizen eines Hauses oder sogar einer ganzen Wohnsiedlung beizutragen. Ein Mensch verbraucht im Haushalt nach Angaben des Statistischen Bundesamts im Durchschnitt täglich 128 Liter Trinkwasser - eine ganze Menge also.

Im Salzburger Stadtteil Aigen in Österreich werden seit Anfang des Jahres 99 Wohnungen unter anderen mit Hilfe dieser Technologie mit Energie versorgt. Rund 30.000 Liter Abwasser werden dort nach Angaben der Entwickler täglich in einem Rückhaltebecken aufgefangen. «In diesem ekeligen, stinkigen Wasser ist unheimlich viel Energie drin», sagt Dietmar Stampfer. Er ist Geschäftsführer des Unternehmens «Energy Consulting Austria», das die Energieversorgungsanlage geplant hat und überwacht.

Die Temperatur des Abwassers liege im Durchschnitt bei um die 20 Grad Celsius. Über eine Wärmepumpe werde dem aufgefangenen Abwasser die Energie entzogen, die daraufhin in den Wasser- und Heizkreislauf zurückgeführt werde. 40 Prozent des Energiebedarfs können Stampfer zufolge damit gedeckt werden. Die Wärmepumpe werde zum Großteil mit Solarstrom betrieben.

Weitere 35 Prozent würden durch Abluftwärme gewonnen. «Alles was der Mensch ausdünstet und ausscheidet wird als wertvolle Lebensenergie zurückgeholt», versichert der Ingenieur. Die restlichen 25 Prozent des Energiebedarfs würden mithilfe gepresster Holzpellets erzeugt. Stampfer ist überzeugt, dass sein Energieversorgungssystem nicht nur nachhaltig, sondern in Zeiten von stark gestiegenen Gaspreisen zukunftsweisend ist.

Düngemittel: Forschende der Universität Bielefeld und des Forschungszentrums Jülich in Nordrhein-Westfalen untersuchen, wie gereinigtes Abwasser für das Heranwachsen von Algen und die Herstellung von landwirtschaftlichem Dünger genutzt werden kann. Die winzigen Mikroalgen sind bereits auf natürliche Weise im gereinigten Abwasser - auch Klärwasser genannt - vorhanden.

Für das Forschungsprojekt wird das Klärwasser über eine tischförmige Versuchsanlage geleitet, auf der die Algen sich vermehren und mit der Zeit ein Algenteppich heranwächst. Nach Angaben der Wissenschaftler sind Algen in der Lage, Phosphor, Stickstoff und Kalium - wichtige Nährstoffe für sie und auch Inhaltsstoffe für Dünger - aus dem gereinigten Abwasser aufzunehmen. Getrocknet lasse sich die Algenmasse anschließend als Düngemittel verwenden. Ein positiver Nebeneffekt: Der Projektbeschreibung zufolge wird das Wasser durch die Algen zusätzlich gereinigt und mit Sauerstoff angereichert.

Landwirtschaft: Die EU-Kommission möchte die 27 Mitgliedstaaten dazu ermutigen, landwirtschaftliche Flächen verstärkt mit gereinigtem Abwasser zu bewässern. Dazu hat sie Mindestanforderungen für die Wiederverwendung von aufbereitetem Wasser festgelegt.

Nach Angaben aus Brüssel werden in der Europäischen Union jedes Jahr 40 Milliarden Kubikmeter Abwasser aufbereitet, aber nur 964 Millionen Kubikmeter wiederverwendet. In Deutschland wird das einem Sprecher des Bundesumweltministeriums zufolge bislang nur in wenigen Fällen, zum Beispiel in Niedersachsen, durchgeführt.

Auch im fränkischen Schweinfurt testen Forscher das Verfahren. Ziel des Projekts «Nutzwasser» ist es, herauszufinden, wie Abwasser für landwirtschaftliche und städtische Flächen bestmöglich aufbereitet und mit intelligenter Technik verteilt werden kann. Die Forschungsarbeiten sollen bis ins Frühjahr 2024 andauern.


Bildnachweis: © Stephanie Pilick/dpa
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