14. September 2022 / News aus der Welt

SWR-Intendant Kai Gniffke wird 2023 ARD-Vorsitzender

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht wegen der RBB-Krise unter besonderem Druck. Zum Jahreswechsel wird Kai Gniffke wichtigster Repräsentant der Sendergemeinschaft. Eine schwierige Aufgabe wartet auf ihn.

Kai Gniffke soll im kommenden Jahr den ARD-Vorsitz übernehmen.
von Anna Ringle, dpa

Der Intendant des Südwestrundfunks (SWR), Kai Gniffke, übernimmt 2023 den ARD-Vorsitz. Das beschlossen die ARD-Intendanten und -Gremienvorsitzenden am Mittwoch nach ARD-Angaben in Bremen. Nach dem Rücktritt der fristlos entlassenen RBB-Intendantin Patricia Schlesinger vom ARD-Vorsitz beginnt Gniffke damit ein Jahr früher als geplant.

Der 61-Jährige hat eine schwierige Aufgabe vor sich. Gniffke übernimmt die ARD-Geschäfte in der vielleicht anspruchsvollsten Zeit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der ARD-Sender Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) ist inmitten von Filzvorwürfen in eine tiefe Krise gestürzt, auch beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) rumort es in den Häusern in Hamburg und Kiel. Der Druck auf das öffentlich-rechtliche System wächst auch deshalb.

ARD-Vorsitz wechselt von Zeit zu Zeit

Der ARD-Vorsitz wechselt unter den ARD-Anstalten von Zeit zu Zeit. Große Häuser sind dafür prädestiniert, weil sie ohnehin schon eine große Infrastruktur bieten. Aber auch kleinere Häuser hatten schon den ARD-Vorsitz. In der Regel bleibt ein Intendant zwei Jahre im Amt. Gegen Ende des ersten Jahres wird er für ein zweites Jahr bestätigt. Der SWR muss sich jetzt im Eiltempo auf die ARD-Vorsitzzeit weiter vorbereiten. Normalerweise ist das alles lange im Voraus geplant.

Gniffke wurde in der ARD-Mitteilung am Mittwoch so zitiert: «Die ARD gehört allen Menschen in Deutschland, denn sie wird von der ganzen Gesellschaft getragen.» Das sei ein großes Privileg. «Wir werden noch deutlicher herausstellen, dass wir unabhängig und der journalistischen Qualität verpflichtet sind.»

Der ARD-Vorsitz bedeutet für eine Anstalt viel Mehrarbeit, aber auch Prestige. Der Vorsitzende vertritt die Gemeinschaft als höchster Repräsentant und Sprecher der Intendantinnen und Intendanten. Er tritt in Dialog mit Politik und Gesellschaft. Zudem setzt er eigene Impulse für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Der SWR ist im ARD-Vergleich die zweitgrößte Anstalt nach dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) und vor dem Norddeutschen Rundfunk (NDR). Der SWR erhielt 2021 gut eine Milliarde Euro an Rundfunkbeiträgen. Das Sendegebiet erstreckt sich über Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Buhrow: Gniffke hat «volle Unterstützung der Gemeinschaft»

Gniffke übernimmt den ARD-Vorsitz von WDR-Intendant Tom Buhrow, der erst kürzlich einsprang und die Geschäfte noch bis Jahresende führt, weil RBB-Intendantin Schlesinger im August vom ARD-Vorsitz zurückgetreten war.

Buhrow sagte am Mittwoch: «In diesen Tagen zeigt sich ganz besonders: Die Menschen im Land erwarten von uns als öffentlich-rechtlichem Rundfunk, dass wir Konsequenzen aus Fehlern ziehen, transparent handeln, uns weiterentwickeln und ein zeitgemäßes, innovatives Programm für die ganze Gesellschaft anbieten. Das ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, bei der Kai Gniffke die volle Unterstützung der Gemeinschaft hat.»

Der RBB befindet sich gerade in einer schwierigen Situation. Vorwürfe des Filzes und der Vetternwirtschaft an der RBB-Spitze stehen im Raum, im Zentrum der Kritik sind Schlesinger und der zurückgetretene Senderchefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf. Beide wiesen Vorwürfe zurück.

Die WDR-Managerin Katrin Vernau soll als Interims-Intendantin wieder stabilisieren. Es hatte innerhalb der ARD sogar die Befürchtung gegeben, dass sich im Sender die Strukturen inmitten der unübersichtlichen Lage auflösen könnten.

RBB-Krise im Fokus

Gniffke wird sicher viel Arbeit darauf verwenden müssen, dass der RBB wieder stärker in die Mitte der ARD-Gemeinschaft rücken kann. In einer beispiellosen Aktion hatten sich vor kurzem die Intendantinnen und Intendanten von der RBB-Spitze distanziert. ARD-Chef Buhrow hatte öffentlich bekanntgemacht, dass man das Vertrauen in die bisherige RBB-Geschäftsleitung – das war vor der Interims-Lösung – verloren habe.

Der Skandal beim RBB, der durch Berichte des Online-Mediums «Business Insider» seit Juni Stück für Stück bekannt wurde, hat längst den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einen Strudel gerissen. Auch der NDR steht verstärkt im Fokus. Im Landesfunkhaus Kiel werden ungeklärte Vorwürfe gegen die journalistische Spitze geprüft, ob es eine Beeinflussung der politischen Berichterstattung gegeben haben könnte.

Auch am Hamburger NDR-Standort ist es unruhig, seitdem Vorwürfe gegen die Landesfunkhausdirektorin aufkamen. Es steht die Frage in Medienberichten im Raum, ob diese ihren Job dafür genutzt haben könnte, Familienmitgliedern Vorteile zu verschaffen. Der NDR und zum Teil auch in der Kritik stehenden Führungskräfte hatten die Vorwürfe zurückgewiesen. Derzeit lassen mehrere ihre Arbeit ruhen.

Bundesländer reformieren öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Die ARD-Vorsitzzeit Gniffkes fällt auch deshalb in eine spannende Zeit, weil die Bundesländer derzeit den öffentlich-rechtlichen Rundfunk reformieren. Ein erster Wurf zu Auftrag und Struktur ist gemacht, das Ganze muss noch von den Ministerpräsidenten unterschrieben werden und die Länderparlamente passieren. Es folgt ein nächster wichtiger Reformschritt zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Zudem wird langfristig auch wieder die Höhe des Rundfunkbeitrags ins Spiel kommen. Die aktuelle Beitragsperiode läuft noch bis 2024. Politiker haben sich längst warmgelaufen.

Gniffke ist seit 2019 beim SWR. Für die ARD ist er schon seit den 1990er Jahren tätig. Zwischen 2006 bis 2019 war er Erster Chefredakteur bei der ARD-Gemeinschaftseinrichtung ARD-aktuell in Hamburg. Diese produziert zum Beispiel die Nachrichtensendungen «Tagesschau» und «Tagesthemen». Geboren wurde Gniffke 1960 in Frankfurt am Main. Nach seinem Studium der Politikwissenschaft, Soziologie und des Öffentlichen Rechts promovierte er, dann folgte die Karriere beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk.


Bildnachweis: © Bernd Weißbrod/dpa
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