28. August 2021 / News aus der Welt

Steinmeier und Merkel bei Gedenken für Flutopfer

Ein Bach, der zum Ungeheuer wurde. Eine Kerze, die die einzige Lichtquelle war. Beim Gedenkgottesdienst im Aachener Dom erzählen Betroffene von der Nacht, deren Bilder sich nicht wegschließen lassen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (l-r), Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Gedenkzeremonie in Aachen.
von Christoph Driessen und Ulrike Hofsähs, dpa

«Der Ahr-Psalm haut einen von den Füßen!» Zwei Stunden vor Beginn des Gedenkgottesdienstes im Aachener Dom macht diese Warnung bereits die Runde unter den wartenden Helfern und Organisatoren.

Der Ahr-Psalm. Verfasst von Stephan Wahl, einem katholischen Priester, der in dem vom Hochwasser verwüsteten Kreis Ahrweiler aufgewachsen ist und in Sinzig einen Verwandten verloren hat.

Bach wird zum Ungeheuer

Als die Verse später im achteckigen Zentralbau des Kaiserdoms vorgetragen werden, ist die Erschütterung geradezu greifbar. Der Psalm ist ein Klagelied, das an die Reden des leidgeprüften Hiob aus der Bibel erinnert. Er beschreibt die Nacht zum 15. Juli, als die Flutkatastrophe über Teile von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hereinbrach. «Der Bach, den ich von Kind an liebte, sein plätscherndes Rauschen war wie Musik, zum todbringenden Ungeheuer wurde er, seine gefräßigen Fluten verschlangen ohne Erbarmen. Alles wurde mir genommen. Alles! Weggespült das, was ich mein Leben nannte.»

180 Menschen sind an diesem Samstagvormittag im Aachener Dom versammelt. In der ersten Reihe sitzen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, dahinter die Ministerpräsidenten der beiden getroffenen Bundesländer, Malu Dreyer und Armin Laschet. Vertreter der nahen Benelux-Länder sind ebenfalls dabei, denn auch bei ihnen wurden Landschaften verwüstet. In Aachen, wo man mal eben zum Einkaufen nach Belgien oder in die Niederlande fährt, ist man sich dessen sehr bewusst.

95 der 180 Anwesenden sind keine Vertreter des Staates oder der Kirchen, sondern Betroffene. Menschen, die Familienmitglieder verloren haben, deren Häuser nicht mehr stehen, deren Existenz vernichtet wurde. Und Helfer, die sich unermüdlich eingesetzt haben.

Erinnerungen einer Nacht

Im Halbdunkel des Gotteshauses schimmert viel Gold, aber in diesem Moment achtet wohl niemand darauf. Armin Laschet dreht sich auf seinem Platz um, weil er Renate Steffes sehen will, die aufgestanden ist und über die Nacht zum 15. Juli spricht. «Diese Nacht soll eigentlich für mich abgelegt sein - in einer verschlossenen Schublade. Fest verschlossen. Zu! Doch die Schublade mit den belastenden Erfahrungen öffnet sich täglich neu.»

Angela Merkel schließt die Augen, scheint konzentriert zuzuhören. Angehörige halten sich in den Armen. Nun erzählt der evangelische Pfarrer Hans-Peter Bruckhoff, wie seine Frau in der Nacht bis zu den Knien im Wasser im Pfarrhaus in Schleiden-Gemünd stand. Als einzige Lichtquelle hatte sie eine Kerze, die er nun mitgebracht hat.

Wie geht es weiter? «Die Folgen des menschengemachten Klimawandels sind bei uns angekommen», stellt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, fest. «Vielleicht werden Menschen in 20 Jahren zurückschauen auf diese Tage und im Rückblick sagen: Die Dramatik dessen, was damals passiert ist, die Abgründe an Leid haben unser Land zum Nachdenken gebracht.»

Lehren aus der Katastrophe ziehen

So sieht es auch Bundespräsident Steinmeier, der im Anschluss an den Gottesdienst eine Rede hält. Er spricht über zwei Katastrophen in kurzer Zeit: erst Corona, dann das Hochwasser. «Wir müssen Lehren ziehen aus dieser doppelten Katastrophenerfahrung», fordert auch er. Vielleicht habe man sich in der Vergangenheit zu sehr in Sicherheit gewiegt. «Viele spüren: einfach zurück zur Tagesordnung, einfach so schnell wie möglich zurück in die alte Spur, das kann nicht die Antwort sein.»

Einen Lichtblick sehen aber alle: die überwältigende Hilfsbereitschaft. Steinmeier erinnert an die «vielen, vielen Freiwilligen», die jedes Wochenende zum Helfen in die Katastrophengebiete gefahren sind. Auch in Zukunft werde man die Betroffenen nicht vergessen, verspricht er: «Als Bundespräsident möchte ich Ihnen versichern: Sie sind nicht allein! Wir hören Sie! Wir vergessen Sie nicht!»


Bildnachweis: © Oliver Berg/dpa-Pool/dpa
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