16. August 2022 / News aus der Welt

Reisanbau gefährdet Tansanias bedrohte Tiere

Reis ist ein beliebtes Grundnahrungsmittel in Tansania. Doch sein Anbau zerstört die Hauptwasserquelle eines wichtigen Nationalparks in Afrika - und gefährdet so vom Aussterben bedrohte Tiere.

Elefanten stehen im Ruaha-Nationalpark.
von Kristin Palitza, dpa

Gerade hat die Regenzeit geendet. Eigentlich sollte Tansanias Fluss Großer Ruaha bis an die Ufer gefüllt sein. Doch statt reißender Ströme ist das Flussbett in großen Teilen eine staubige Einöde, die Wildhüter Hamza Visram vergeblich mit seinem Fernglas scannt.

Wo einst hunderte Wasserbüffel grasten, ist kaum ein Tier zu sehen. Ein paar tiefe Löcher bezeugen die Verzweiflung einer Elefantenherde, die mit ihren Rüsseln nach dem kühlen Nass grub.

Der Große Ruaha, der durch den Ruaha-Nationalpark im Zentrum Tansanias fließt, gilt als «ökologisches Rückgrat» des ostafrikanischen Landes und Lebensader der Region. Er fließt über knapp 500 Kilometer von seiner Quelle in den Kipengere-Bergen durch riesige Feuchtgebiete des Ruaha-Nationalparks, bevor er im Südosten in den Rufiji River mündet. Hunderttausende Wildtiere sind von seinem Wasser abhängig, darunter bedrohte Arten.

Ruaha ist eins von nur drei Naturschutzgebieten, in dem mehr als 500 vom Aussterben bedrohte Afrikanische Wildhunde leben, eine der am stärksten gefährdeten Arten des Kontinents. Zudem leben hier nach Angaben der Tansania-Nationalparkbehörde (Tanapa) etwa zehn Prozent der verbleibenden Löwen Afrikas sowie eine von nur noch vier Geparden-Populationen in Ostafrika mit mehr als 200 erwachsenen Tieren. Weniger bekannt als die berühmte Serengeti, aber dafür wesentlich unberührter, ist der Ruaha-Nationalpark auch die Heimat von weltweit bedeutenden Populationen von Tüpfelhyänen und Leoparden sowie einer der größten Elefanten-Populationen Ostafrikas.

115.000 Hektar Plantagen am Großen Ruaha

Einst floss der Große Ruaha das ganze Jahr über - heute sind es nur noch drei bis vier Monate pro Jahr, erzählt Tanapa-Ökologin Hellen Mchaki. Nicht genug, um den Nationalpark feucht zu halten. Und nicht genug für die Wildtiere. «Die Tiere müssen wesentlich weitere Strecken zurücklegen, um an Wasser zu kommen. Die schlichte Wahrheit ist: ohne ausreichendes Wasser werden sie sterben», warnt Mchaki.

Warum der Fluss langsam austrocknet, weiß die Ökologin allzu gut: Reisbauern haben ihre Plantagen über mehr als 115.000 Hektar – ein Gebiet ungefähr so groß wie Berlin und München zusammen - an den fünf Quellen des Großen Ruahas angelegt. Der Anbau von Reis - ein Grundnahrungsmittel und Exportprodukt in der ehemaligen deutschen Kolonie mit ihren rund 60 Millionen Einwohnern - benötigt große Mengen Wasser. Die Landwirte ziehen es dem Fluss direkt an der Quelle ab. Während Reis nun das ganze Jahr über gedeiht, fließt im Großen Ruaha immer weniger Wasser.

Ex-Staatsminister prangert Reisbauern an

Die Regierung versucht schon seit 2017, diese Entwicklung aufzuhalten, bislang vergeblich. January Makamba, damals Staatsminister im Umweltbüro des Vizepräsidenten, prangerte die Reisbauern in Interviews mit lokalen Medien als «Umweltsünder» an und machte sie für den Tod vieler Wildtiere verantwortlich. Die Ableitung von Wasser aus Naturschutzgebieten sei illegal und müsse umgehend gestoppt werden, sagte Makamba.

Wassermanagement-Experte Reuben Kadigi von der Sokoine Universität für Landwirtschaft (SUA) in Tansania bestätigt das Problem: «Der Wasserbedarf für die Bewässerungslandwirtschaft ist erheblich gestiegen, was zu ernsthafter Wasserknappheit stromabwärts der empfindlichen Ökosysteme im Ruaha-Nationalpark führt, besonders während der Trockenzeit.»

Alte Bewässerungsmethoden und Verschmutzung durch Chemikalien

Problematisch sei vor allem, dass Reisbauern Bewässerungsmethoden nutzten, die Experten zufolge vermutlich im frühen 19. Jahrhundert von deutschen Missionaren eingeführt wurden. Dazu komme Verschmutzung durch Chemikalien wie Dünger und Pestiziden. Um dem entgegenzuwirken, hat sich Tanapa mit der Douglas Bell Öko-Forschungsstation im Asilia Afrika Camp im Nationalpark und dem Nationalen Forschungsinstitut für Wildtiere (Tawiri) zusammengeschlossen. Gemeinsam will man Strategien entwickeln, um das Ökosystem wiederherzustellen.

«Das Leben aller Tiere hängt vom Fluss ab, von großen Säugetieren bis hin zu Vögeln. Früher war das Feuchtgebiet rund um den Fluss sehr grün und saftig, jetzt ist es überall gelb und trocken. Auch das Pflanzenwachstum ist aufgrund der Wasserknappheit eingeschränkt», sagt Leena Lulandala, die Koordinatorin der Forschungsstation. In einigen Teilen des Parks hätten Parkbehörden Wasser mit Tanklastern anliefern müssen, um Wasserlöcher für die Tiere zu füllen.

Unterstützt von der Weltbank arbeitet Tanapa mit Reisbauern zusammen, um die Bewässerungsinfrastruktur zu verbessern und Alternativen zu wasserintensiven Anbaumethoden zu suchen. «Wir versuchen beispielsweise Wege zu finden, um das genutzte Wasser zurück in den Fluss zu leiten», erklärt Mchaki.

Ökotourismus als Rettung?

Die Experten setzen auch auf Ökotourismus für die Rettung des Parks. Safari-Tourismus ist eine der wichtigsten Einkommensquellen Tansanias. Nach Angaben des Welttourismus- und Reiserats (WTTC) hat Tourismus in Tansania 2019 - also vor der Corona-Pandemie - umgerechnet 6,5 Milliarden Euro eingebracht, oder 10,6 Prozent der Gesamtwirtschaft. 

«Touristen bringen Geld ein, mit dem wir wichtige Naturschutzmaßnahmen finanzieren. Damit können wir die Gesundheit des Flusses sichern und die Degradierung des gesamten Ökosystem reduzieren», erklärt Lulandala. Tourismuseinnahmen tragen laut WTTC in vielen afrikanischen Ländern maßgeblich zur Wiederherstellung und Erweiterung von Naturschutzgebieten und dem Schutz von Wildtieren bei. Die Umkehrrechnung ist einfach: Weniger Wildtiere bedeuten weniger Tourismus-Einnahmen und weniger Naturschutz.

Trotz der Maßnahmen ist keine schnelle Lösung in Sicht. Noch tummeln sich in Ruaha große Herden von Antilopen, Elefanten, Giraffen und Nilpferden sowie Rudel von Löwen und Wildhunden. Doch Wildhüter Visram hat über die vergangenen Jahre einen erschreckenden Trend bemerkt, vor allem bei Arten, die stark von Wasser abhängen: «Früher haben wir Herden mit 200 bis 300 Büffeln gesehen, jetzt sind es nur noch um die 35.» Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. 


Bildnachweis: © Kristin Palitza/dpa
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