8. Dezember 2022 / News aus der Welt

«Null Schadstoffe» bis 2050 in EU - Es gibt Nachholbedarf

Die EU will in den nächsten Jahrzehnten eine weitgehend schadstofffreie Umwelt schaffen. Ein hehres Ziel. Aber wo steht die Union bei der Umsetzung? Ein neuer Bericht liefert eine Zwischenbilanz.

Rauch steigt aus einer Fabrik im Südosten Frankreichs. Die Europäische Union will bis 2050 eine weitgehend schadstofffreie Umwelt schaffen.
von Julian Weber, dpa

Bis 2050 will die Europäische Union Schadstoffe in der Umwelt umfassend reduzieren - ein neuer Bericht zeigt nun aber ein gemischtes Bild des bisherigen Erfolges. In den Bereichen Verkehrslärm und Abfall droht die EU bereits die selbst gesteckten Ziele bis 2030 zu verfehlen. Es sind daher weitere Anstrengungen notwendig, wie aus dem am Donnerstag veröffentlichten Bericht der EU-Umweltagentur EEA hervorgeht. Gute Fortschritte gebe es hingegen etwa beim Kampf gegen Luftverschmutzung und der Verbesserung der Bodenqualität.

Grundlage der Bemühungen ist der Aktionsplan «Null Schadstoffe», den die EU-Kommission 2021 im Rahmen des sogenannten European Green Deal vorgestellt hatte. Darin steckt sie sich sechs Etappenziele für 2030, die auf dem Weg zum übergeordneten Ziel des Aktionsplans erfüllt sein müssen. Dieses lautet, dass die Verschmutzung in der EU bis zum Jahr 2050 so weit verringert werden soll, dass sie kein Risiko mehr für die menschliche Gesundheit und die Umwelt darstellt.

«Null Schadstoffe» durch Systemwandel

Aber wie unterscheidet sich der Plan von den Vorhaben der vergangenen Jahrzehnte? Zu behebende Umweltprobleme gab es reichlich: Saurer Regen, Waldsterben, Ozon, Wasserverschmutzung durch die Industrie - das sei der Ursprung der Umweltpolitik, sagte EEA-Exekutivdirektor Hans Bruyninckx. Diese Probleme habe man ziemlich gut in den Griff bekommen, es gebe starke Erfolge. Aber: «Wir haben es immer noch mit Verschmutzungsgraden zu tun, die eine ernsthafte Bedrohung für die menschliche Gesundheit und für die Natur darstellen.»

Die bisherigen Maßnahmen - weniger Verschmutzung und mehr Effizienz - helfen jedoch nicht mehr weiter. «Wir werden die Umweltverschmutzung nicht auf null reduzieren können, ohne die Systeme zu ändern, die ihr zugrunde liegen», sagte Bruyninckx. Der Plan für 2050 gehe das Problem deshalb systemisch an. Dessen Ambition sei, dass sich die zur Verschmutzung beitragenden Sektoren innerhalb der planetaren Grenzen bewegen müssten. Damit sind die Grenzen gemeint, deren Überschreitung die Stabilität des Ökosystems der Erde und damit die Lebensgrundlagen der Menschheit gefährdet. Bestenfalls werde auf diese Weise «de facto eine schadstofffreie Umwelt» geschaffen.

Fortschritte bei Luft- und Bodenqualität

Besonders viel öffentliche Aufmerksamkeit erhält der Kampf gegen die Luftverschmutzung. Der Grund: Schadstoffe in der Luft sind nach wie vor die größte von der Umwelt ausgehende Gesundheitsgefahr in der EU. Sie sind laut der Umweltagentur einer der Hauptgründe für frühzeitige Todesfälle und Erkrankungen. Der Aktionsplan sieht vor, dass die Zahl dieser vorzeitigen Sterbefälle bis 2030 um mehr als 55 Prozent im Vergleich zu 2005 sinken soll.

Die Experten der in Kopenhagen ansässigen EEA sind zuversichtlich, dass das gelingt. 2020 seien in der EU rund 240 000 Menschen durch die Belastung der Luft in ihrer Umgebung mit Feinstaub vorzeitig gestorben - 45 Prozent weniger als noch 2005. Wenn man diesen Trend fortschreibe, werde das Ziel der Kommission wahrscheinlich erreicht, heißt es in dem Bericht. Das gelte auch für das Ziel, dass es bis 2030 ein Viertel weniger Ökosysteme in der EU geben soll, in denen die Artenvielfalt durch Luftverschmutzung gefährdet ist.

Mit der gleichen Methodik hat die Umweltagentur auch die restlichen Zielvorgaben überprüft. Auf einem guten Weg sei die EU auch bei der Verbesserung der Bodenqualität bis 2030: Der Plan sieht hier unter anderem eine Senkung des Einsatzes chemischer Pestizide sowie des Verkaufs bestimmter Antibiotika, etwa für Nutztiere, um 50 Prozent vor. Die Ziele seien haltbar - auch wenn bislang nur der geringere Einsatz, nicht die Auswirkungen auf die Umwelt messbar seien.

Nur bei den Pflanzennährstoffen wie Stickstoffverbindungen und Phosphat ist keine Verbesserung absehbar. Das Problem entsteht etwa durch übermäßige Düngung in der Landwirtschaft und treibt auch einige deutsche Regionen um. Solche Nährstoffe belasten Ökosysteme und das Grundwasser. Bis 2030 sollen diese Werte deshalb um 50 Prozent reduziert werden. «Wir halten es aber für höchst zweifelhaft, dass dieses Ziel erreicht wird», sagte Bruyninckx.

Nachholbedarf bei Abfall, Lärm und Plastikverschmutzung

Ebenfalls Nachholbedarf gibt es bei den drei weiteren Zielen: Weder bei der Anzahl der ständig unter Verkehrslärm leidenden Menschen noch bei der Abfallmenge war in den vergangenen Jahren ein positiver Trend zu beobachten. Eigentlich sollen diese Zahlen bis 2030 um 30 Prozent beziehungsweise «signifikant» sinken. Die Vorgaben sind demnach nicht zu halten. Unklar ist zudem, ob die Ziele zur Plastikverschmutzung - dass 50 Prozent weniger Plastikmüll in die Meere gelangt sowie 30 Prozent weniger Mikroplastik in die Umwelt - bis 2030 erfüllt werden können. Für eine Analyse war die Datenbasis der EEA noch zu dünn.

Wie geht es weiter?

Die EU ist bei der Verwirklichung der Ziele noch in einem sehr frühen Stadium. Der EEA-Bericht stellt eine Art Bestandsaufnahme dar und soll der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten dabei helfen, die Bereiche zu erkennen, in denen weitere Maßnahmen nötig sind. Aktuell werden demnach bereits mehrere Vorschläge geprüft. Der Bericht soll zudem als Referenz für künftige Untersuchungen dienen. Die nächste, detailreichere Überprüfung ist für 2024 geplant.


Bildnachweis: © Philippe Desmazes/AFP/dpa
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