23. Juni 2021 / News aus der Welt

Keine gütliche Einigung im Diskriminierungsprozess

Dürfen Vereine aus Tradition Frauen von Bräuchen ausschließen? Im Allgäu hat eine Frau deswegen geklagt - und Recht bekommen. Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende.

Wehrt sich gegen Männerbastionen bei Vereinsveranstaltungen: Christiane Renz, Klägerin im Prozess um das Frauen-Verbot beim Fischertag im bayerischen Memmingen.
von Frederick Mersi, dpa

Dürfen nur Männer im Memminger Stadtbach Forellen fangen? Bei dieser Frage geht es nicht nur um eine Jahrhunderte alte Tradition. Es geht auch um die Frage, ob Vereine Frauen von solchen Bräuchen ausschließen dürfen.

Dieser Streit beschäftigt jetzt das Memminger Landgericht. Die Fronten im Prozess scheinen verhärtet - und der Streit könnte danach an anderer Stelle weitergehen.

Dass sich die Justiz überhaupt mit dem Thema beschäftigt, liegt daran, dass Christiane Renz mitfischen will. Die Memmingerin ist seit 1987 Mitglied des Vereins, der einmal im Jahr den Fischertag veranstaltet - sie darf beim Ausfischen des Stadtbachs, dem Höhepunkt des jährlichen Festwochenendes, aber nicht mitmachen. So hat es der Fischertagsverein im Jahr 1931 in seiner Satzung festgehalten: Das Ausfischen des Stadtbachs bleibe «zur Wahrung der Jahrhunderte alten Tradition» männlichen Mitgliedern vorbehalten. Der Brauch ist nach Angaben des Vereins bis ins 16. Jahrhundert zurückzuverfolgen.

Renz hatte nach zwei erfolglosen Versuchen in den Vereinsgremien, die Satzung zu ändern, am Memminger Amtsgericht geklagt - und gewonnen. Das Gericht sah in dem Ausschluss von Frauen eine unzulässige Diskriminierung durch einen Verein mit einer sozialen Vormachtstellung in der Stadt. Eine männliche Tradition allein reiche als Grund für den Ausschluss nicht aus, urteilte das Gericht. Dagegen hatte der Fischertagsverein beim Landgericht Berufung eingelegt.

Zum Auftakt des Verfahrens am Mittwoch lehnten sowohl die Klägerin als auch der Verein eine gütliche Einigung ab. Der vorsitzende Richter Konrad Beß hatte dafür geworben, um ein möglicherweise jahrelanges und für die Verliererseite kostspieliges Verfahren mit unsicherem Ausgang zu vermeiden. Trotz Beß' Ankündigung, eine Revision beim Bundesgerichtshof zuzulassen, entschieden sich beide Seiten dagegen.

Der Fischertagsverein beharrte darauf, dass seine mehr als 200 Delegierten einem Kompromiss mehrheitlich zustimmen müssten. Diese hatten die Öffnung des Ausfischens für Frauen in den vergangenen Jahren aber zweimal mehrheitlich abgelehnt. In diesem Fall ergebe ein Güteverfahren wegen mangelnder Rechtssicherheit «keinen Sinn», sagte die Anwältin der Klägerin, Susanne Bräcklein.

Bis zur Verkündung des Urteils am 28. Juli muss das Landgericht nun entscheiden, welches Grundrecht in dem Fall Vorrang hat: Vereinsfreiheit oder Gleichbehandlung. «Das kann so oder so ausgehen», so Beß. Das Gericht müsse mehrere Fragen einbeziehen: Hat der Verein eine Monopolstellung in der Stadt? Hat er einen ausreichenden Grund dafür, Frauen vom Ausfischen auszuschließen - zum Beispiel wegen der exakten Darstellung eines historischen Ereignisses? Und ist das höchstens 45 Minuten lange Ritual wirklich so wichtig, dass die Klägerin teilnehmen dürfen muss?

«Das kann man eigentlich nur falsch machen», sagt Beß. Das Thema werde in der Öffentlichkeit «sehr kontrovers diskutiert». Daran wolle sich das Gericht aber nicht orientieren: «Wir werden nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden.»

Der Streit könnte aber noch viel länger dauern, betont Beß. Nach einer Revision am Bundesgerichtshof könnte die unterlegene Partei vor das Bundesverfassungsgericht oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen: «Das hier ist nur eine Zwischenetappe.»


Bildnachweis: © Karl-Josef Hildenbrand/dpa
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