21. März 2023 / News aus der Welt

Deutsche Wälder im Klimastress

Wenn es heißer und trockener wird, setzt das auch Eichen, Buchen und Fichten zu. Zu erkennen sind kranke Bäume auch daran, wie dicht ihre Kronen noch sind. Experten nennen neue Beobachtungen beunruhigend.

Deutliche Schäden hatten nach der Waldzustandserhebung im vergangenen Jahr über alle Arten hinweg weiterhin 35 Prozent der Bäume.
von Sascha Meyer, dpa

Die Wälder in Deutschland leiden weiter unter hohem Klimastress: Vier von fünf Bäumen haben sichtbare Schäden in ihren Kronen, wie eine am Dienstag vorgelegte Erhebung des Bundesagrarministeriums für 2022 ergab.

Angesichts häufigerer Zeiten mit Trockenheit und Hitze sind bei etwa jedem dritten Baum die Kronen sogar schon stark gelichtet. Insgesamt gab es demnach keine deutlichen Verbesserungen des Waldzustands, aber auch keine deutliche Verschlechterung im Vergleich zu 2021. Umweltschützer, Waldeigentümer und die Regierung dringen auf einen Umbau zu widerstandsfähigeren Forsten.

Minister Cem Özdemir sagte: «Der Wald ist ein Patient, der unsere Hilfe braucht.» Das wertvolle Ökosystem leide unter den Folgen der Klimakrise. Die «beunruhigenden Ergebnisse» der Erhebung zeigten weiteren Handlungsbedarf, damit die Wälder künftig Trockenheit und höheren Temperaturen trotzen könnten. «Das heißt: Mischwald statt Monokulturen», erläuterte der Grünen-Politiker. Als Unterstützung für einen solchen Umbau stellt das Ministerium für die Zeit von 2022 bis 2026 insgesamt 900 Millionen Euro aus einem Förderprogramm bereit.

Nur 21 Prozent der Bäume haben noch volle Kronen

Generell seien Schäden der Bäume «weiterhin auf einem sehr hohen Niveau», heißt in der neuen Waldzustandserhebung. «Deutliche» Schäden hatten im vergangenen Jahr über alle Arten hinweg nach wie vor 35 Prozent - bei ihnen war verglichen mit gesunden Bäumen schon mehr als ein Viertel der Krone kahl. Zur «Warnstufe» mit einer schwachen Kronenverlichtung von 11 bis 25 Prozent gehörten erneut 44 Prozent der Bäume. Volle Kronen hatten weiterhin 21 Prozent. Wie dicht Laub oder Nadeln sind, gilt als ein Indikator für den Gesundheitszustand.

Zu sehen sind jetzt die Folgen eines vielerorts trockenen und heißen Sommers 2022, wie das Ministerium erläuterte. Regenreiche Monate zu Jahresbeginn und im Herbst hätten ein Wasserdefizit der Böden nicht ausgleichen können. So habe sich der Wald nach mehreren trockenen Jahren seit 2018 weiterhin nicht erholen können.

Besonders im Blick stehen vier Hauptarten, die zusammen drei Viertel aller Bäume ausmachen. Bei Fichten sank der Anteil mit deutlichen Kronenschäden im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozentpunkte auf 40 Prozent. Bei Kiefern nahm er von 25 auf 28 Prozent zu. Ohne Lücken in der Krone waren nur noch «historisch niedrige» 13 Prozent der Kiefern. Bei Buchen hatten weiter 45 Prozent deutliche Schäden. Der Anteil mit vollen Kronen stieg von 16 auf 21 Prozent. Bei Eichen zeigten 40 Prozent deutliche Schäden, ein Punkt weniger als 2021. Generell haben ältere Bäume häufiger größere Lücken in ihren Kronen.

Die negative Entwicklung setzt sich fort

Die Daten stammen aus der jährlichen Waldzustandserhebung, die laut Ministerium seit 1984 von den Ländern über ein Netz von Stichproben vorgenommen wird. Dabei wird der Zustand der Kronen taxiert und vier «Schadstufen» zugeordnet. Diesmal gingen 9727 Bäume an 409 Punkten in die Auswertung ein. Das bundeseigene Thünen-Institut rechnet die Länderdaten dann zu einem deutschlandweiten Ergebnis hoch. Wald bedeckt rund ein Drittel der gesamten Landesfläche Deutschlands.

Der Waldeigentümerverband AGDW erläuterte, dass sich die negative Entwicklung leider unvermindert fortgesetzt habe. Dies sei am «Tag des Waldes», der am Dienstag die Bedeutung für Klimaschutz und Biodiversität hervorheben sollte, mehr als schmerzlich. «Die Zahlen sind dramatisch», sagte Präsident Andreas Bitter. Zu Trockenheit und Hitze seien teils noch Probleme mit Käfern hinzugekommen. Zudem zeigten sich schon Veränderungen, dass Baumarten auch an Standorten nicht überleben könnten, wo sie seit Jahrhunderten stehen. Enorme Kosten für Wiederaufforstung und Waldumbau seien von Waldbesitzern und Waldbesitzerinnen nicht mehr aus eigener Kraft zu stemmen.

Den Wasserkreislauf der Wälder stärken

Die Umweltorganisation WWF kritisierte eine zu intensive Nutzung für wirtschaftliche Zwecke. «Wälder benötigen eine extensivere und schonendere Behandlung der Lebensräume, damit sie dauerhaft ihre Klimaschutzfunktion erfüllen, zur Artenvielfalt beitragen und den wertvollen Rohstoff Holz zur Verfügung stellen.» Der Naturschutzbund (Nabu) forderte, den Wasserkreislauf der Wälder zu stärken - etwa, indem mehr Flächen und Moore wieder in ihren natürlichen Zustand zurückversetzt werden. Denn Böden gesunder Wälder speicherten große Mengen Wasser und verhinderten so zugleich Waldbrände und Hochwasser.

Der Deutsche Forstwirtschaftsrat erklärte, eine pauschale Ausweitung nutzungsfreier Waldflächen sei nicht zielführend, um eine natürliche CO2-Bindung zu fördern und Wald zu erhalten. Gerade die nachhaltige Bewirtschaftung unter bereits hohen Standards fördere die Gesundheit der Ökosysteme. Damit werde es auch erst möglich, dass alle Menschen die Wälder sicher betreten könnten. Aus Sicht des FDP-Forstexperten Karlheinz Busen darf es beim Wappnen der Wälder keine Denkverbote geben: «Wir brauchen neben heimischen Bäumen auch Baumarten, die sich in wärmeren Breitengraden bewährt haben.»


Bildnachweis: © Patrick Pleul/Deutsche Presse-Agentur GmbH/dpa
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