23. Oktober 2021 / News aus der Welt

Corona-Inzidenz erstmals seit Mai wieder bei 100

Es ist nur eine symbolische Zahl, aber sie lässt aufhorchen: Die Corona-Inzidenz ist in Deutschland wieder dreistellig. Dazu zählt das RKI insgesamt 15.145 Neuinfektionen binnen eines Tages.

Zahlreiche Impfpässe liegen in einer Apotheke in einem Büro auf einem Tisch. (Archivbild)
von dpa

Corona-Infektionen in Deutschland haben wieder deutlich zugenommen: Die Sieben-Tage-Inzidenz erreichte am Wochenende erstmals seit Mitte Mai den Wert von 100.

Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Samstag mit exakt 100,0 an. Am Vortag hatte der Wert bei 95,1 gelegen, vor einer Woche noch bei 70,8. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 15.145 Neuinfektionen.

Kritik an Ende der Notlage

Der Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für eine Beendigung der durch den Bundestag festgestellten Corona-Notlage sorgte auch angesichts dieser steigenden Zahlen weiter für Diskussionen. Kritiker befürchten einen «Flickenteppich» an Maßnahmen und Regelungen. Spahn betonte im «Interview der Woche» des Deutschlandfunks, es gehe darum, nach 19 Monaten einen Ausnahmezustand zu beenden. Die Befugnisse der Bundesregierung sollten in einen Normalzustand zurückgeführt werden. Er betonte, dies bedeute keinen «Freedom Day» (Freiheitstag) oder das Ende aller Maßnahmen. Diese könnten auch ohne Ausnahmezustand geregelt werden.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte der «Passauer Neuen Presse», Spahns Ankündigung in einer Phase, in der es steigende Infektionszahlen, Impfdurchbrüche, stagnierende Impfquoten und andere Probleme gebe, habe ihn überrascht. Sollte die Feststellung der epidemischen Notlage nach dem 25. November tatsächlich auslaufen, fordere er eine Ersatzregelung. Auch die Ministerpräsidenten der Bundesländer hatten am Freitag erklärt, es müsse weiter eine bundeseinheitliche Rechtsgrundlage für die Corona-Schutzmaßnahmen geben.

Städtetag warnt vor «Flickenteppich»

Städtetagspräsident Burkhard Jung warnte vor einem «Flickenteppich». Ein gemeinsamer Rahmen sei weiterhin notwendig. «Die Länder müssen über den Winter Regeln wie 3G oder sogar 2G und das Tragen von Masken in Innenräumen weiter vorgeben können», sagte der Leipziger Oberbürgermeister den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Unterstützung erhielt Spahn vom Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen. Der Vorschlag des Ministers sei «letztlich folgerichtig», sagte er der «Rheinischen Post».

Gassen appellierte an noch unschlüssige Bürgerinnen und Bürger, sich impfen zu lassen. Der Verband deutscher Betriebs- und Werksärzte geht indes davon aus, dass rund 1,5 Millionen Corona-Impfungen in Deutschland zunächst nicht gemeldet wurden. Das sagte Verbandsvizepräsidentin Anette Wahl-Wachendorf dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch das RKI hatte Anfang des Monats auf Basis von Bürgerbefragungen und Meldedaten festgestellt, dass die Impfquote bei Erwachsenen um bis zu fünf Prozentpunkte höher als offiziell erfasst liegen könnte - das wären umgerechnet sogar bis zu 3,5 Millionen Menschen beziehungsweise Impfungen. Offiziell sind derzeit 76 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger über 18 Jahren vollständig geimpft.

Sorgen vor Überlastung

Mit den steigenden Corona-Zahlen keimen auch Sorgen um eine Überlastung des Gesundheitssystems wieder auf. «Die Inzidenzen sind weiterhin extrem eng gekoppelt an die Aufnahmen auf die Intensivstationen», sagte Christian Karagiannidis, leitender Oberarzt an der Lungenklinik Köln-Merheim und wissenschaftlicher Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), dem Deutschlandradio.

Zwar seien die Intensivstationen derzeit mit Covid- und anderen Patientinnen und Patienten etwa gleich stark belegt wie vor einem Jahr, allerdings gebe es inzwischen weniger freie Kapazitäten, weil die Zahl der Betten mangels Pflegepersonal verringert werden musste, betonte Karagiannidis. Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen sagte daher der dpa, die Maßnahmen müssten nun auch «auf Unterstützung und möglichst Aufbau des Personalstamms insbesondere im Intensivbereich» zielen.

«Natürlich gehen jetzt die Zahlen hoch, und sie werden auch weiter steigen», sagte Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, der dpa. «Im Unterschied zum letzten Winter haben wir nun aber einen sehr großen Teil der Menschen durch die Impfung geschützt.» Wichtig sei nun unter anderem, die 3G-Regel - Einlass für Geimpfte, Genesene und Getestete - bei Veranstaltungen konsequent anzuwenden. «Mein Impfausweis wurde fast noch nie gescannt, manchmal wurde auf eine Kontrolle komplett verzichtet», meinte Watzl.

Lauterbach: Risiko unterschätzt

Lauterbach kritisierte in der «Passauer Neuen Presse», dass das Corona-Risiko derzeit unterschätzt werde. «Die Menschen beginnen, wieder leichtsinniger zu werden. Vielerorts hat sich offenbar das Gefühl eingenistet, es sei nun fast vorbei, es würde noch ein paar Wochen dauern, und man werde ja auch nicht mehr so schwer krank.»

Auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil mahnte zu Vorsicht. «Wir haben uns sehr vernünftig und solidarisch durch diese Krise bewegt. Das sollte auch auf den letzten Metern so bleiben», sagte Klingbeil den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Fragen des Infektionsschutzgesetzes und der pandemischen Lage sollten laut Klingbeil im Bundestag gemeinsam bewertet werden. «In dieser Übergangszeit nach der Wahl werden wir im Parlament nach Mehrheiten suchen, die größer sind als die aktuelle Regierung», meinte er.


Bildnachweis: © Sven Hoppe/dpa
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